Das Bundeskabinett hat den Entwurf einer 27. BAföG-Novelle auf den Weg gebracht. Viele Studierende können sich auf Verbesserungen ab Wintersemester freuen. Eine in Aussicht gestellte grundlegende Reform lässt jedoch auf sich warten.
Mit einem „grundlegend reformierten BAföG“ möchte die Ampel-Koalition den „Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen“ legen. Darauf hatten sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Der jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf für eine 27. Novelle des Ausbildungsförderungsgesetzes sieht eine Reihe an Verbesserungen vor, die zum kommenden Wintersemester in Kraft treten sollen.
So sollen die Einkommensfreibeträge um 20 und die Bedarfssätze um 5 Prozent angehoben werden. Die Altersgrenze soll von jetzt 30 Jahren im Bachelor und 35 Jahren im Masterstudium auf dann einheitlich 45 Jahre sowie der Vermögensfreibetrag von 8.200 auf 45.000 erhöht werden.
Die Erhöhung der BAföG-Sätze bleibt weit hinter dem Bedarf zurück
Für die GEW begrüßte deren stellvertretender Vorsitzender und Hochschulexperte Andreas Keller die geplanten Verbesserungen als überfällige Schritte in die richtige Richtung, kritisierte sie aber zugleich als nicht weitgehend genug. „Das Statistische Bundesamt beziffert die Inflationsrate für den März auf 7,3 Prozent. Eine Erhöhung der BAföG-Sätze um gerade mal fünf Prozent ab Oktober bleibt weit hinter dem Bedarf zurück. Um eine spürbare Erhöhung der Ausbildungsförderung zu erreichen, müssten die Bedarfssätze daher um mindestens zehn, eher 15 Prozent angehoben werden“, sagte Keller. Weiter komme es darauf an, diese künftig jährlich an die Steigerung der Lebenshaltungskosten anzupassen.
Nur noch elf Prozent aller Studierenden beziehen überhaupt Leistungen nach dem BAföG.
Andreas Keller
Ein richtiges Signal sei hingegen die geplante kräftige Erhöhung der Einkommensfreibeträge um 20 Prozent. „Nur noch elf Prozent aller Studierenden beziehen überhaupt Leistungen nach dem BAföG. Die richtige Stellschraube, um diese Quote auszuweiten, sind die Freibeträge für die Eltereinkommen – hier darf der Gesetzgeber nicht geizen“, so Keller.
Auch die Anhebung der Altersgrenze auf 45 lobte der GEW-Vize. „In einer Zeit, in der alle vom lebenslangen Lernen reden, wäre zwar eine ersatzlose Streichung der Altersgrenzen konsequenter, aber auch die Anhebung auf 45 öffnet vielen Studienberechtigten, die, nachdem sie Berufserfahrung gesammelt oder Kinder betreut haben, eine akademische Aus- oder Weiterbildung anstreben, die Tür zum Studium“, erklärte Keller.
Enttäuscht zeigte sich der GEW-Hochschulexperte davon, dass der Gesetzentwurf die überfällige strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförderung zurückstelle. „Die Ampel-Koalition ist mit dem Versprechen angetreten, das BAföG grundlegend zu reformieren. Absenkung des Darlehensanteils des BAföG zugunsten einer Zuschussförderung, Auszahlung eines elternunabhängigen Garantiebetrags an alle Studierenden – das sind richtige Ansätze in der Ampel-Koalitionsvereinbarung, die es jetzt anzupacken, statt auf die lange Bank zu schieben gilt.“ Die Bundesregierung dürfe sich nicht von einer Reparaturnovelle zur nächsten hangeln, sondern müsse eine echte Runderneuerung der Ausbildungförderung vornehmen, mahnte Keller.
Auch der im Koalitonsvertrag versprochene „Notfallmechanismus“ sei „mehr als enttäuschend“, kritisierte der GEW-Sprecher. Bundesbildungsminister Bettina Stark Watzinger habe die von ihrer Vorgängerin auf den Weg gebrachte Überbrückungshilfe Ende 2021 sang- und klanglos auslaufen lassen – unter Verweis auf den geplanten BAföG-Notfallmechanismus, mit dessen Hilfe Studierenden unkompliziert und verlässlich geholfen werden soll, finanzielle Notlagen zu überbrücken. Davon bleibe jetzt nicht mehr übrig als eine Verordnungermächtigung an die Bundesregierung, in Krisensituationen die Förderhöchstdauer zu verlängern. „Studierende, die durch die Maschen des Gesetzes fallen und überhaupt kein BAföG beziehen, und das ist derzeit mit 89 Prozent die übergroße Mehrheit, würden völlig leer ausgehen. Das ist das Gegenteil von dem, was auf dem Höhepunkt der Pandemie versprochen worden war“, sagte Keller.
Er setzt jetzt darauf, dass der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf in der parlamentarischen Beratung gründlich gegen den Strich bürstet, „damit am Ende kein Reförmchen, sondern eine echte Reform des BAföG herauskommt“, so Keller. „Wenn dafür mehr Geld benötigt wird, muss Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) einfach erst mal die für 2022 verhängte Kürzung des Bildungs- und Forschungshaushalts um eine halbe Milliarde Euro rückgängig machen.“